Mit der Tibetbahn nach Lhasa

Wir fahren nach Tibet. In Almaty ändern wir unsere Pläne für China. Eigentlich wollen wir mehr Zeit im tropischen Süden Chinas verbringen, stattdessen fahren wir nun ins kalte tibetische Hochplateu. Wir benötigen ein extra Permit für die autonome Provinz Tibet und müssen uns einer geführten Tour anschließen. Individueller Tourismus ist in Tibet nicht möglich.

Seit 2006 führt eine Zugverbindung von Xining in Zentralchina nach Lhasa in Tibet. Sie soll eine der schönsten Bahnstrecken der Welt sein. Gleichzeitig ist es die höchste Eisenbahnstrecke weltweit, der Bahnhof Tanggula liegt auf 5.068 Höhenmetern. Die Zugfahrt für die 1.956 Kilometer dauert 20 bis 21 Stunden.

Der Bau der Strecke war ein Mammutprojekt. Rund ein Drittel der Strecke wurde in den 1980er Jahren gebaut. Die restlichen 1.142 Kilometer bis Lhasa in nur 4 Jahren bis 2005. Besonders problematisch bei der Konstruktion war der Permafrostboden, ein Großteil der Strecke verläuft auf über 4.000 Höhenmetern.

Auf Grund dieser Höhen mussten extra neue Wagen angeschafft werden, die spezielle Systeme mit angereichertem Sauerstoff und UV-Schutz haben. Insgesamt haben 20.000 Arbeiter an diesem Projekt gearbeitet, dass rund 4 Mrd. US$ verschlungen hat.

Wir haben Tickets für den 04. November über Trip.com gebucht. Fast verpassen wir den Zug, weil wir vorher noch etwas essen wollten. Wir kommen am Gleis an, da steht der Zug schon da. Schnell checken wir ein und stellen fest, dass wir in zwei getrennten Abteilen sind.

In der Tibet-Bahn gibt es drei verschiedene Kategorien: Sitzplätze, offene 6er Schlafwagen (Hardsleeper) oder 4er (Softsleeper). Wir haben letzteres gebucht und nun ist Scarlett mit drei Social Media affinen Chinesinnen in einer Kabine und Christian mit einem Chinesen und zwei Chinesinnen, die irgendwie zu der Social Media Clique in Scarletts Abteil gehören. Niemand spricht Englisch.

Der Zug fährt gegen 19.30 los und rollt vor sich hin. Es ist der bequemste und komfortabelste Nachtzug mit dem wir bislang gereist sind. Wir gehen in den Speisewagen, bestellen zwei Bier. Draußen ist es längst dunkel und wir beobachten das Treiben im Speisewagen. Nach einiger Zeit setzt sich Aura zu uns. Sie hat chinesische Wurzeln lebt aber in Kanada und spricht perfekt englisch. Wir kommen kurz ins Gespräch, sie sorgt dafür, dass wir unsere zwei Bier erhalten.

Danach legen wir uns schlafen. Die Betten sind sehr bequem, leider entpuppt sich der Kollege in meinem Abteil als professioneller Schnarcher. Meine Ohropacks habe ich verloren, vermutlich auf der Fähre über das Kaspische Meer. Die Nacht wird anstrengend.

Wir sind noch in der Provinz Qinghai, als es dämmert. Hochlandsteppe, -23 Grad sagt die Zuganzeige. Gegen 9:00 erreichen wir die Grenze zu Tibet auf über 5.000 Höhenmetern. Die 8.000er Gipfel des Himalaya sehen wir von hier aus nicht. Das tibetische Plateau zeichnet sich durch Hochlandsteppe aus, die von schneebedeckten Hügeln und Flussläufen durchzogen ist.

Aura hilft uns auch heute bei der Frühstücksbestellung, Nudelsuppe mit Ei. Dazu Tee und Kaffee. Die nächsten Stunden gehen so vor sich hin, wir beobachten den Sonnenaufgang, dösen so vor uns hin und schauen aus dem Fenster in die tibetische Landschaft. Die Höhe merken wir langsam, mit leichten Kopfschmerzen, die aber nach einiger Zeit wieder weg gehen.

Als wir uns Amdo nähern wird es etwas bergiger. Auf Maps sind mehrere kleine Orte markiert, wir erkennen aber kaum etwas, das an Zivilisation denken ließe. Ab und zu ein paar Lehmhütten, zwei Transporter fahren durch das Bild der endlosen Steppe. Schwer vorstellbar, wie Menschen hier leben.

Hinter der Stadt Nagqo verändert sich die Landschaft in ein Winter wonderland. Über lange Strecken sehen wir nichts als weiße Berge. Kurz vor Lhasa scheint es wieder wärmer zu werden, wir fahren an Steppe vorbei, trockene gelbe Wiesen auf denen Rinder weiden. Wir sehen bereits einige typische tibetische Häuser, die mit bunten Fahnen geschmückt sind.

Am Nachmittag des 05. November kommen wir in Lhasa an und werden von einem Fahrer abgeholt.