Auf nach China
Auf nach China

Auf nach China

Vor der Pandemie gab es direkte Nachtzug- und Busverbindungen zwischen Almaty in Kasachstan und Urumqi in China. Die jetzige Situation ist ein wenig unklar. Im Internet lesen wir von einer Busverbindung, die bis kurz hinter die Grenze gehe, von dort aus könne man dann weiter mit dem Bus oder Zug nach Urumqi fahren.

Am Busbahnhof in Almaty fragen wir am Schalter nach: “Wir wollen mit dem Bus nach Urumqi fahren” schreiben wir in unsere Übersetzungsapp. Die Dame am Schalter nickt. “Können wir die Tickets bei ihnen kaufen?”. Die Dame nickt. Wir tippen: “Dann würden wir jetzt gerne für den 24. Oktober zwei Tickets buchen”. Sie nickt erneut. Ratlosigkeitspause. Sie braucht jetzt sicher unsere Pässe, fällt einem von uns ein, und wir schieben unsere Reisepässe durch den Schalter. Sie tippt jetzt eine Zahl auf ihren Taschenrechner und zeigt uns den Preis: 50.800 Tenge, rund 100€. Wir halten ihr eine Kreditkarte hin, sie schüttelt den Kopf und zeigt auf die Bankautomaten in der Wartehalle…. 20 Minuten später halten wir unsere Bustickets direkt nach Urumqi in der Hand.

Fahrt nach Urumqi

24. Oktober: Um halb acht morgens steigen wir in den Reisebus ein. Wir haben die Sitze in der ersten Reihe, mit Panoramablick. Mit uns sind 15 Leute im Bus, er ist nicht mal zur Hälfte gefüllt, wir sind die einzigen westlichen Touristen. Christian versucht herauszufinden, wann wir ankommen, „завтра“ (morgen) ist die Antwort. Wir schätzen ca. 20 Stunden für die rund 900 Kilometer.

Abfahrt war eigentlich um 8 Uhr, um 9 Uhr rollt der Bus. Wir fahren mit gemischten Gefühlen los. Ein wenig traurig sind wir, weil wir Almaty verlassen, wo wir uns ein bisschen zu Hause gefühlt haben. Nach über sechs Wochen verlassen wir auch Zentralasien. Aber wir freuen uns auch auf China und haben gleichzeitig auch großen Respekt vor diesem riesigen und uns unbekanntem Land.

Die Autobahn führt über weite Strecken durch die kasachische Steppe, die uns so vertraut geworden ist. Wir erreichen die Grenze gegen 14 Uhr. Bis dahin machen wir noch zwei kürzere Stops an Tankstellen. Bei einem Stop werde ich auf russisch gefragt, ob wir chinesisch sprechen können. Schulterzuckend antworte ich „Njet“, der Mann lacht sich kaputt.

Die Ausreise aus Kasachstan geht recht fix, dann fahren wir weiter zur chinesischen Immigration. Die Einreise nach China geht weniger schnell, wir müssen viele Fragen beantworten und unser Gepäck vollständig vor den Beamt:innen auspacken. Nach zwei Stunden um 17 Uhr, bzw. 19 Uhr Ortszeit, haben wir endlich den Stempel im Pass.

Für unsere Mitreisenden ging die Einreise deutlich schneller, am Ende mussten alle im Bus auf die zwei Deutschen warten. Der Bus fährt sofort los, als wir ihn erreichen. Trotz der Wartezeit machen die beiden Busfahrer gut gelaunt ein paar Witze. Mit oder wahrscheinlich eher über uns? Wir verstehen es nicht genau.

Von Weitem sehen wir bereits die Hochhäuser der ersten Provinzstadt hinter der Grenze. Uns erwartet ein Kulturschock, das ist klar. Ein paar Kilometer weiter halten wir für eine längere Pause in Khorgas. Wir folgen den anderen Reisenden aus dem Bus in einen Imbiss und essen unser erstes Gericht in China: Reisnudeln mit Gemüse und Hühnchen, dazu Tee im Bierglas. Bezahlen konnten wir mit den Yuan, die wir in Almaty getauscht haben.

Anschließend fahren wir stundenlang durch die dunkle Nacht und sehen nicht viel von China. Hinter uns sitz niemand, wir können die Sitze nach hinten verstellen und so ein wenig schlafen. Es ist kein erholsamer Schlaf, eher einer dieser Schlafzustände, bei denen man alle paar Minuten von seinem zur Seite fallenden Kopf wach wird.

Der Bus macht immer wieder Stops. Einmal wegen einer WC-Pause, die anderen Male wegen Polizei-Checkpoints. Wir sind in der chinesischen Provinz Xinjiang. Hier wird viel Wert auf Sicherheit gelegt. „Happiness is the pursuit of your travel, Safety is the basis of your travel“ lesen wir einige Tage später auf einem Schild. So kann man es sehen. Um fünf Uhr morgens erreichen wir schließlich Urumqi und werden vom Bus auf irgendeiner Hauptstraße im Südosten der Stadt ausgespuckt. Die Straßen sind leer, die Häuser dunkel, es ist nichts los.

Alle anderen aus dem Bus sind nach wenigen Minuten in alle Himmelsrichtungen verteilt und wir bleiben alleine an der Straße stehen. Wir haben die Hotelbeschreibug auf Englisch und Chinesisch auf unsere Telefone geladen. Und wir haben die chinesische Taxiapp Didi gespeichert. „Wo ist denn überhaupt unser Hotel?“ überlegen wir. In welcher Sprache geben wir jetzt den Zielort ein? Englisch? Funktioniert nicht. Vielleicht auf Chinesisch? Welches der Zeichen ist denn eigentlich der Hotelname? Wir kommen so nicht weiter.

Letztendlich hält Scarlett ein zufällig vorbeifahrendes Taxi an und fragt: „Do you speak english?“. Der junge Taxifahrer nickt, juhu! Wir zeigen ihm die Hotelbeschreibung und er öffnet von seinem Fahrersitz aus den Kofferraum. Es ist mittlerweile fast 6 Uhr und die Straßen an diesem Mittwochmorgen sind komplett leer, was bemerkenswert ist, denn Urumqi ist eine Stadt mit fast vier Millionen Einwohnern. Wir sitzen auf der Rückbank, zwischen uns und dem Fahrer ist ein Metallgitter, über uns eine Videokamera.

Die Fahrt zum Hotel dauert rund 20 Minuten. Wir fahren die meiste Zeit über einen Highway auf Betonstelzen, der sich mit diversen Auf- und Abfahrten sowie Querverbindungen durch die ganze Stadt schneidet. Es erinnert mich an Sim City. Es gibt Stauprobleme? Einfach ein paar Häuser abreißen und eine erhöhte Schnellstraße durch die ganze Stadt bauen, Problem erledigt. Der nette Taxifahrer setzt uns vor dem Hotel ab, wünscht uns alles Gute. Wir zahlen problemlos in Bar.

An der Rezeption schauen unsere müden Gesichter in das ebenso müde Gesicht der Rezeptionistin, die uns auf chinesisch begrüßt. Als wir englisch sprechen, weckt sie zur Sicherheit ihren Kollegen. Wir müssen uns jeweils mit den Smartphones verständigen. Das klappt gut, weil wir so geistesgegenwärtig waren den offline Modus der translation App herunterzuladen, denn eine SIM Karte haben wir noch nicht und alle gängigen Services, die wir im Westen nutzen, sind hier blockiert. „Wir haben eine Reservierung, sind aber etwas früh dran, ist es möglich einzuchecken?“ tippen wir. Die Rezeptionistin fragt nach unseren Pässen, macht den ganzen Papierkram, wir bezahlen mit AliPay (das funktioniert im WLAN). Und dann hält sie uns die Keycard zum Zimmer 8012 hin und zeigt in Richtung der Aufzüge. Wir bedanken uns und können unser Glück kaum fassen. Beim Betreten des Hotels hatten wir schon mit den Sofas in der Lobby als Überbrückung zum Check-In um 14 Uhr geliebäugelt.

Wir öffnen die Tür und betreten ein riesiges Zimmer mit Doppelbed, Sofa, Schreibtisch und Beamer mit Leinwand. Anschließend legen wir unsere Rucksäcke ab. Und dann schlafen wir erstmal bis 12 Uhr. Wir sind in China.

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