Zu siebt im Opel Astra nach Tadschikistan
Zu siebt im Opel Astra nach Tadschikistan

Zu siebt im Opel Astra nach Tadschikistan

Duschanbe, die Hauptstadt Tadschikistans, ist am 22. September unser nächstes Ziel. Etwa 1,2 Millionen Menschen, rund 10% der tadschikischen Bevölkerung, leben hier. Von Samarkand aus nehmen wir eine Marschrutka (Mini-Sammelbus) bis zur 40 Kilometer entfernten Grenze. Wir steigen kurz vor der Grenze aus und passieren die Grenzübergänge von Usbekistan nach Tadschikistan zu Fuß. Es ist nicht viel los hier an der Grenze, Gepäck scannen und Pässe stempeln dauern etwa eine halbe Stunde.

Auf tadschikischer Seite warten bereits einige Taxifahrer, die uns anbieten, us in die nächst größere Stadt Pandschakent zu bringen. Es macht uns jedesmal schlechte Laune, wenn uns wieder eine Verhandlung mit einem Taxifahrer bevorsteht. Sofort als wir die Grenze überschreiten stürzen sich die Fahrer auf uns und wollen uns in ihre Autos lotsen. Sie legen dabei eine Hektik zutage, als würde das letzte Taxi des Tages in den nächsten 2 Minuten davonfahren und wir müssten uns beeilen, wenn wir noch mitwollten. Zudem empfinden wir die Preise unverhältnismäßig im Vergleich zu dem was wir für Essen und Unterkunft ausgeben oder was ein durchschnittliches Monatsgehalt in den Ländern beträgt. Und ständig werden wir von dem Gefühl begleitet, über das Ohr gehauen zu werden. Man muss aber fairer Weise sagen, dass das Handeln in Zentralasien (noch) vergleichsweise einfach ist. Wir zahlen in US-Dollar, da wir noch keine tadschikischen Suomi haben. In Pandschakent bekommen wir erst am dritten Bankomat Geld, die anderen zwei waren „Out of Order“. Wir haben Hunger und finden nach ein paar Minuten ein Restaurant. Es gibt Brot, Salat, Hammelfleisch mit Kartoffeln, Petersilie und Zwiebeln sowie Tee. Scarlett vergibt dem Klo null von fünf Sternen. Wir hoffen, dass das Sprichwort „An der Toilette erkennt man die Küche“ für diesen Teil der Welt nicht mehr zutrifft.

Als nächstes suchen wir die Shared Taxis nach Duschanbe. Shared Taxis sind ein ähnliches Prinzip wie die MOIAs in Hamburg. Mehrere Leute teilen sich ein Taxi, allerdings haben die Shared Taxis eine feste Route. Die Herausforderung ist es, den Ort zu finden, wo sie abfahren. Wir laufen etwas unschlüssig die Hauptstraße auf und ab. Uns spricht ein Teenager an, der mit seinen Eltern unterwegs ist und einen hellblauen Anzug trägt. Er spricht uns auf Englisch an und wir unterhalten uns kurz. Wir fragen ihn, ob er uns helfen kann, weiter nach Duschanbe zu kommen. Seine Eltern platzen vor Stolz und er strahlt. Er lernt englisch nach der Schule in „extra lessons“ und möchte später nach Amerika auswandern. Der Vater winkt einen Minibus heran, der uns zu der Sammelstelle der Shared Taxis stadtauswärts bringt. Wir bedanken uns und verabschieden uns herzlich. Die Shared Taxis fahren erst los, wenn alle Plätze belegt sind. Wir sind nicht bereit den 4-fachen Preis zu zahlen und müssen daher über eine Stunde auf andere Mitreisende warten. Dann kommt unser Fahrer und es geht los – allerdings in die falsche Richtung. Wir fahren erstmal zurück in die Stadt in einen Wohnblock. Ich sitze auf dem Beifahrersitz und sehe aus dem Augenwinkel wie eine Person nach der anderen einsteigt. Am Ende sitzen auf der Rückbank des Opel Astra drei Erwachsene und zwei Kinder. Nach kurzer Zeit halten wir an. Die zwei Kinder sind mit ihrer Mutter und Großmutter unterwegs. Letztere hat starke Knieschmerzen. Ich biete ihr den Vordersitz an, Scarlett kann endlich „я врач“ (ya vratsch / Ich bin Arzt) sagen und gibt der Dame einen Blister Ibuprofen 600 – abgenickt von ihrer Tochter, die Krankenschwester ist.

Die nächsten vier Stunden werden lang. Pandschakent und Duschanbe sind nur 230 Kilometer entfernt, dazwischen liegt allerdings das Serafschangebirge. Wir müssen über etliche Pässe und Serpentinen fahren. Die Straße ist gut ausgebaut, es gibt einige Tunnel, aber auch sehr viel Verkehr… Voll beladene LKWs schleichen die Straßen hoch und runter, die Überholmanöver unseres Fahrers sind nichts für schwache Nerven. Die beiden Kinder, ein Junge und ein Mädchen, sind etwa vier bis sechs Jahre alt und sind sehr tapfer. Sie machen kaum einen Mucks und gucken fasziniert aus dem Fenster. Als es langsam dunkel wird und das Mädchen immer unglücklicher, eingezwängt zwischen Scarlett und ihrer Mutter hin- und herrutscht, setzt Scarlett es auch ihren Schoß, wo das Mädchen wenig später einschläft. Als wir ausstiegen sind unsere Gelenke steif aber wir haben die Fahrt trotzdem sehr genossen. Zum Abschied werden Selfies gemacht, die Oma verabschiedet uns mit „хорошие люди“ (khoroshiye lyudi – good people), was uns sehr rührt.

Gegen 21 Uhr kommen wir in Duschanbe an, checken in unserem Hostel ein und gehen schlafen. Wir haben ein Zimmer im Keller, bestehend aus zwei Hochbetten, einen Schrank und einem kleinen Fenster. Die Toilette ist im Innenhof. Dafür ist das Frühstück sehr gut, wir kommen mit anderen Reisenden ins Gespräch und auch die Gastgeberfamilie, die im Hotel wohnt, ist sehr nett. Scarlett wird am nächsten Tage Zeugin, wie der kleine Sohn der Besitzer freudestrahlend das komplette Waschpulver im Badezimmer verteilt.

Tadschikistan wird von Emomali Rahmon regiert, der seit 1992 Präsident des Landes ist. Sein Bild prangt an jeder Ecke. Rahmon hat seine politische Macht in Tadschikistan kontinuierlich ausgebaut. Er ist einer der dienstältesten Präsidenten in der Region und wurde bei mehreren Wahlen “wiedergewählt”. Bei den vergangenen Wahlen gab es immer wieder Berichte über Wahlmanipulation und mangelnde Chancengleichheit für politische Oppositionskandidaten. Bei Werten wie Demokratieindex, Meinungs- und Pressefreiheit oder Korruption belegt Tadschikistan die hinteren Plätze in den Listen.

Auch Duschanbe war einst ein wichtiger Halt entlang der historischen Seidenstraße und spielte eine entscheidende Rolle im Handel zwischen Ost- und Zentralasien, dem Nahen Osten und Europa. Heute steht die Stadt vor einer Reihe von Herausforderungen, darunter Verkehrsprobleme, Umweltverschmutzung und schlechte Infrastruktur. Besonders 10 bis 20 Jahre alte Opel und Mercedes Benz prägen die Straßen in Duschanbe.

Die Menschen hingegen, die wir in Duschanbe und später in Tadschikistan kennenlernen sind sehr freundlich, neugierig und immer hilfsbereit. Mit ein paar Brocken russisch, englisch und Händen und Füßen können wir uns immer irgendwie verständigen.

Duschanbe hat einige Sehenswürdigkeiten. Das Nationalmuseum von Tadschikistan gibt Einblicke in die Vergangenheit der Stadt. Das „Istiklol“ Symbol ist ein 121 Meter hohes Phallussymbol architektonisches Werk, das die Geschichte der Unabhängigkeit Tadschikistans symbolisiert. Die untere Hälfte ist 30 Meter hoch und steht für das 30. Jubiläum der Unabhängigkeit. Die obere 91 Meter hohe Hälfte steht für die Unabhängigkeit im Jahr 1991. Auf der Spitze des Symbols befindet sich eine 8 Meter hohe Krone aus Titan, die Symbole von Staatlichkeit und Unabhängigkeit repräsentiern soll. Ein weiteres Wahrzeichen von Duschanbe ist der „Dushanbe Flagpole“, der als vierthöchster freistehender Fahnenmast der Welt gilt. Mit einer Höhe von über 165 Metern soll er die nationale Identität und Unabhängigkeit Tadschikistans symbolisieren. Wir finden in der Stadt noch weitere große nach oben ragende Gebäude. Eine Stadt der Superlative, während 100 Kilometer weiter die Menschen zum Klo in eine Grube im Hinterhof gehen.

In den letzten Wochen haben wir viele Spezialitäten aus Zentralasien gegessen: Teigtaschen, Plov, Fleischspieße mit Gemüse, Fleischspieße ohne Gemüse, Fleisch mit Gemüse, Fleisch ohne Gemüse, Fleisch mit Suppe, Suppe mit Fleisch, Fleisch mit Kartoffeln, Fleisch mit Reis, … . Wir laufen am nächsten Tag zufällig an einem italienischen Restaurant vorbei und kehren direkt ein. Wir freuen uns darauf etwas vertrautes zu Essen und bestellen Caesar Salat, Aubergine mit Joghurt, frittierte Garnelenspieße, Tomate-Mozzarella und Peperoni-Pizza. Dazu gibt es Aperol Spritz und gutes gezapftes Bier. Wir freuen uns.

Den Rest des Tages schlendern wir durch Duschanbe. Wir finden eine Mall, gehen dort in den Supermark, kaufen ein paar Lebensmittel und Sonnencreme ein. Der Supermarkt ist so groß, er hätte auch in Hamburg, Berlin oder Zürich sein können. Wir finden dort noch einen Frisör und Scarlett lässt sich für vier Euro die Haare schneiden. Seit Georgien waren wir nicht mehr in einer Bar, wir beschließen spontan an diesem Samstagabend auszugehen. Bars gibt es in Duschanbe allerdings nicht so viele. Im Hostel bekommen wir die „Best Bar City“, die sich in einem westlichen Hotel befindet, als Empfehlung. Wir trinken ein paar Bierchen und freuen uns auf die nächsten Tage: Sieben Tage Pamir Highway!

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