Vier Wochen in Westchina – Ein Rückblick
Vier Wochen in Westchina – Ein Rückblick

Vier Wochen in Westchina – Ein Rückblick

Wir sind vier Wochen durch den Westen und Südwesten von China gereist. China war bei der Planung die große Unbekannte und das Land, vor dem wir am meisten Respekt, Sorgen und vielleicht auch Vorurteile hatten:

  • Was erwartet uns am Grenzübergang von Kasachstan nach China?
  • Wie werden wir uns zurechtfinden? Wir sprechen die Sprache nicht und können die Zeichen nicht lesen
  • In China essen sie Hunde… oder zumindest Hühnerbeine, Schweinepfoten, Innereien, Hühnereier mit lebenden Küken, Insekten und alles besonders scharf. Vorurteile über die chinesische Küche. Was wird uns erwarten?
  • Wie können wir bezahlen? Können wir überhaupt Geld mit unseren Kreditkarten abheben?
  • Können wir uns überall frei bewegen?

Am Ende haben sich viele Sorgen nicht bestätigt. Es wäre anmaßend über unsere Zeit in China zu schreiben, als hätten wir irgendetwas verstanden oder könnten uns gar ein Urteil erlauben. Unsere Einblicke und Erlebnisse sind zeitlich und räumlich sehr begrenzt. Zudem sind unsere Eindrücke geprägt durch viele zufällige Begegnungen, die wir unterwegs gemacht haben. Vor allem diese Begegnungen aber haben unseren Blickwinkel verändert und uns mit einer neuen Perspektive auf dieses fremde Land blicken lassen, als es aus der Ferne möglich wäre. Von diesen Eindrücken wollen wir schreiben.

Rasend schneller Fortschritt

Das wirtschaftliche Wachstum scheint bedingungs- und gnadenlos über allem zu stehen. Große Armut und Entbehrungen haben noch die Generation von Hes Eltern (der Menschen, die jetzt in Rente gehen) stark geprägt. Das Ziel Wohlstand und bessere Lebensbedingungen zu erlangen, wurde zum Bestreben dieser Generation und scheinbar zur Prämisse der kommunistischen Partei. Bis hier hin erinnert uns die Geschichte ein bisschen an die Generation unserer Großeltern, der Nachkriegsgeneration und dem Wirtschaftswunder in Deutschland (ausgenommen von der kommunistischen Regierung).

Deutschland war und ist ein wichtiges Vorbild für China.“ Vielleicht sagt unser Gastgeber dies aus Höflichkeit zu uns, vielleicht ist aber auch etwas Wahres dran. Hes Onkel fährt fort: „Wir sind kein Land der großen Innovationen aber wir lernen sehr schnell.“ Der Fortschritt in China passiert rasend schnell und in einer Dimension, die ihresgleichen sucht. Gerade beim Thema Digitalisierung ist China auf einem anderen Level als Deutschland oder Europa, ein paar Beispiele: Türen öffnen sich per Gesichtserkennung, die Navi App zeigt an, wie viele Sekunden eine Ampel noch rot oder grün ist, Behördengänge können problemlos digital erledigt werden, es gibt einen elektronischen Führerschein, kontaktloses Bezahlen per App ist allgegenwärtig (selbst die Bettler:innen haben einen QR-Code zum Geld annehmen), die Bestellung im Café oder Restaurant erfolgt mit der App, und und und.

Irgendwo haben wir das Zitat gelesen, „Wer in die Zukunft blicken will, muss nach China schauen“. China erlangte in den vergangenen Jahrzehnten eine herausragende Stellung in der Weltwirtschaft. Vielleicht gibt es bald nichts mehr, was sie von Ländern wie Deutschland lernen könnten. Dafür wünsche sich die chinesische Regierung mehr Anerkennung und Akzeptanz der westlichen Staaten, vor allem der USA, sagt Hes Onkel.

Das hat natürlich auch seinen Preis. Die ältere Generation scheint ein wenig abgehängt zu sein und bezahlt lieber in bar, wie wir in einem Bus beobachten konnten. Der Fortschritt hängt scheinbar mit der Stabilität der Regierung zusammen, draus folgt ein weiterer Preis: die Überwachung ist allgegenwärtig. Wir wissen natürlich nicht, welche Daten aus den Apps heraus an die Regierung oder Behörden übermittelt werden. Hier können wir nur mutmaßen, dass es viele Daten sind. Sichtbar ist, dass jeder Winkel in China mit Kameras ausgestattet ist.

Mit dem Fortschritt kam auch der erhoffte Wohlstand. Vielleicht wird die Gesellschaft aus diesem Wohlstand heraus ihre Lebensqualität für sich neu definieren. Demokratische Werte, Menschenrechte, Meinungs-, Presse-, und Bewegungsfreiheit in Zukunft für alle Menschen (die Uiguren und Tibeter eingeschlossen) einfordern. Vielleicht sieht man die Verletzung dieser Werte als einen zu zahlenden Tribut, um ein so großes Land, zu einen und zu kontrollieren. Es fällt uns schwer, diesen Gedanken zu akzeptieren. Noch schwerer fällt es uns, unsere Fragen und Bedenken laut auszusprechen. Aus Anstand und aus einem Gefühl der Beklemmung.

Wir werden um unsere lange Auszeit und unsere Reise oft beneidet und bewundert. In China würde es niemand wagen, auch nur einen längeren Urlaub zu nehmen, da man sicher seinen Job verlieren würde. Stattdessen versucht man sich auf der Arbeit an Eifer und Produktivität gegenseitig zu überbieten. Es herrscht ein enormer Druck vor allem unter den jungen Arbeitnehmer:innen. Viele mit denen wir sprechen, sehen darin eine ungesunde Entwicklung aber gleichzeitig auch keinen Ausweg für sich aus der Situation. Auch hier erkenne ich die Parallelen zu Deutschland.

Ich frage mich, ob sich in Zukunft auch in China eine Generation Y und jünger herausbildet, die andere Lebensziele für sich definiert und einfordert. Vielleicht können sie in einiger Zeit die Entwicklungen in Deutschland beobachten und bewerten, ob es sich für sie als lohnende Strategie erweist. Auf der anderen Seite, wie sollen sie solche Beobachtungen machen, wenn große Teile der Medien und des Internets zensiert oder blockiert sind?

Land und Leute

Aber wir sind ja vor allem nach China gefahren, um Land(schaften) und Leute kennenzulernen. Und da war viel dabei.

Die Menschen, die uns begegnet sind, waren stets freundlich und hilfsbereit. Wenn wir irgendwo verloren ausgehen haben, kam fast immer jemand auf uns zu und hat uns, trotz Sprachbarriere, Hilfe angeboten. Manchmal wurden wir angestarrt, nie misstrauisch oder spöttisch, meist neugierig und bewundernd. Es wurden (gefragt und ungefragt) unzählige Fotos von uns gemacht. Und mit einigen Chinesinnen und Chinesen kamen wir auch kurz ins Gespräch.

Von Wüsten, Steppe, riesigen Megacities, traditioneller und moderner Architektur, dem tibetischen Hochplateau, den Gipfeln des Himalaya, Nebelwälder bei Chengdu und dem fruchtbaren Land im Süden mit seinen Reisfeldern war vieles dabei. Allein das ist schon eine Reise wert. Dann kam noch das Essen…

Die chinesische Küche

Niemals hätte wir uns vorgestellt, dass uns in China so eine Geschmacksexplosion erwarten würde. Essen steht im Mittelpunkt des gesellschaftlichen Lebens. Chinesinnen und Chinesen sind (zu Recht) sehr stolz auf ihre Küche und traditionellen Gerichte, deren Zubereitung wie auch die Verköstigung großer Hingabe und bestimmten Ritualen unterliegen. Die Zutaten sind reich und exotisch, ihre Auswahl erlesen und genau aufeinander abgestimmt. Die chinesische Küche ist kreativ, ein Handwerk, eine Kunst, deren Komposition nicht nur in der Auswahl an Gewürzen und Schärfe liegt, sondern auch in ihrer Konsistenz, ihrer Kombination miteinander und dem Zeitpunkt, wann sie am genussvollsten sind. Allerdings sind die Chinesinnen und Chinesen keine großen Freunde von Süßspeisen. Süßigkeiten findet man selten, Desserts sind meist nur mild gesüßt, man nutzt z.B. eher die natürliche Süße von Früchten.

Fazit

Während der Reise haben wir kaum westliche Tourist:innen gesehen. „Mich zieht es nicht nach China“ haben wir von anderen Reisenden häufig gehört und selbst lange Zeit gedacht. Wenn es nicht auf unserer Reise in Richtung Osten gewesen wäre, hätten wir Xinjiang beispielsweise niemals besucht. Am Ende sind wir sehr froh diese Erfahrungen gemacht zu haben. Die Menschen, die wir kennengelernt haben, das Essen, die modernen Städte und die vielfältige Natur waren die Highlights. Dazu war China überraschend einfach und komfortabel zu bereisen. Wir wollen auf jeden Fall wiederkommen und noch mehr von China kennenlernen.

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