Pamir Highway – Teil 2
Pamir Highway – Teil 2

Pamir Highway – Teil 2

Hier folgt der zweite Teil unseres Pamir Highway Beitrags. Wir sind zu Gast bei Danijars Familie, passieren die Grenze zu Kirgistan und übernachten in einer Jurte.

27. September, Tag 4: Langar nach Murghab (240 Kilometer)

Am vierten Tag steht eine Wanderung an. Nach einer Stunde Fahrt erreichen wir den Einstiegspunkt. Der Hike hat eine Länge von 6 Kilometern mit 500 Höhenmetern auf und ab. Wir starten bei 4.200 Metern, die Luft ist ganz schön dünn, jeder Schritt eine Anstrengung. Je höher wir kommen, desto unbarmherziger zieht der Wind und es wird eisig kalt. Zudem ist der Weg eine einzige lange Schotterpiste. Der Panoramablick vom Bergkamm hingegen entlohnt uns für die Anstrengungen. Wir brauchen am Ende drei Stunden, Danijar hat in der Zeit ein Nickerchen gemacht, gebetet und ein wenig am Auto rumgeschraubt.

Danach verlassen wir bald die afghanische Grenze und treffen erneut auf den eigentlichen Pamir Highway. Die Straße wird langsam etwas besser, wir fahren auf Asphalt mit Schlaglöchern statt auf Schotter mit Schlaglöchern. Die Aussicht auf die Berge und Felsen ist spektakulär.

Am Nachmittag erreichen wir den Bulunkul-See. Dieser liegt auf 3.700 Metern und ist auch Namensgeber für den kleinen Ort Bulunkul. Hier leben rund 300 Menschen unter sehr schwierigen Bedingungen. Bulunkul ist einer der kältesten Ort in Zentralasien, hier wurden einst im Winter – 63°C gemessen1. Ein paar Kilometer weiter befindet sich der noch größere Yashikul-See.

Wir haben nicht viel Zeit für beide Seen, da wir noch ein paar Kilometer vor uns haben. Das Ziel ist Danijars Heimatdorf Murghab. Da die Schlaglöcher auf dem Pamir bei Dunkelheit nicht so gut zu sehen sind, möchte Danijar möglichst im Hellen fahren. Der Plan geht nicht ganz auf, wir erreichen Murghab gegen 20 Uhr, es ist inzwischen dunkel. Danijar fragt uns, ob wir zwei Nächte bleiben und die nächsten beiden Etappen zusammenfassen wollen. Denn er möchte die defekte Kühlung reparieren, das würde ein paar Stunden dauern. Damit hatten wir eigentlich nicht gerechnet, aber irgendwie kommt es uns doch gelegen. Wir haben in den letzten Tagen so viel erlebt und viele Eindrücke gesammelt, dass wir uns über eine Pause freuen. Danijar organisiert uns ein Guesthouse, gleich gegenüber des Hauses seines Vaters, wo auch seine Werkstatt ist.


28. September, Tag 5: Murghab

Wir nutzen den Tag um uns auszuruhen. Morgens bekommen wir eine Nachricht von Danijar, der uns zum Mittagessen zu sich nach Hause einlädt. Wir besuchen ihn in seiner Werkstatt und nehmen die Einladung an. Vormittags gehen wir ein bisschen spazieren und freuen uns, nicht stundenlang im Auto zu sitzen. Murghab hat außer Ruhe nicht viel zu bieten. Wir besuchen das Museum, welches aus einem Raum besteht, in dem Exponate der einheimischen Flora und Fauna ausgestellt sind. Um 12 Uhr treffen wir uns vor Danijars Haus und werden sehr traditionell empfangen. Nach einem rituellen Händewaschen knien wir uns an einen flachen Tisch und Danijars Tochter serviert uns Brot, Suppe, Salat, Tee und Rindfleisch mit Bratkartoffeln. Zum Essen sitzen allerdings wir nur mit Danijar im Wohnzimmer, der Rest der Familie isst in der Küche getrennt von uns. Nach einer Stunde müssen alle wieder zurück an die Arbeit, Danijar in seine Werkstatt, seine Frau in die Schule, sie ist Lehrerin. Wir verabschieden uns sehr herzlich, tauschen Gastgeschenke aus und machen zur Erinnerung Fotos.

Den Rest des Tages sortieren wir unsere Fotos, schreiben ein wenig am Blog und machen sonst nicht viel. Es ist nochmal deutlich kälter geworden, als in den vorherigen Tagen mit Minusgraden in der Nacht. Wir schlafen schlecht, Scarlett hat Zahnschmerzen und Christian weiterhin seinen Husten.


29. September, Tag 6: Murghab – Sarytasch – JurtCamp (220 Kilometer)

Als wir aufwachen und aus dem Fenster schauen, ist alles um uns herum verschneit. Wir hören auch schon unsere Gastgeberin, die auf dem Flachdach des Hauses den Schnee wegschiebt. Im Pamir herrscht extremes Kontinentalklima. Im Winter fallen die Temperaturen auf bis bis zu -50°C, im Sommer wird es bis +40°C heiß. Die typischen Pamir Häuser haben ein flaches Dach, auf dem im Sommer Früchte zum trocknen gelegt werden und einen zentralen Ofen, die mehrere Zimmer gleichzeitig beheizen können. Im Winter müssen die Dächer von der schweren Last des Schnees freigeschippt werden.

Wir müssen früh los, da wir die kirgisische Grenze gegen Mittag erreichen müssen. Danijars 7 jähriger Sohn sitzt mit uns im Auto und begleitet uns heute. Nach einer guten Stunde sehen wir, wie rechts von uns ein mit Stacheldrahtzaun abgesperrtes Gebiet auftaucht. Ein Relikt der Sowjets, die chinesische Grenze. Hinter dem langen Zaun sind 5 Kilometer neutrale Zone. Wir können nichts außer Schnee und Berge erkennen.

Am Lake Karakol machen wir einen kurzen Foto- und Reparaturstop. Der hintere Reifen verliert Luft, Danijar flickt ihn und dann pumpen wir abwechselnd zu viert den Reifen wieder auf. Auch die Reparaturen an der Kühlung scheinen nicht ganz so erfolgreich gewesen zu sein. Das Kühlwasser kocht wieder, wir legen Schnee in den Motorraum. Der Wagen hat über 500.000 Kilometer auf dem Tacho. Wir werden etwas unsicher angesichts der Motorprobleme und auch der Reifen, die ziemlich abgefahren sind. Und nun sind wir im Begriff auf verschneiten Straßen, mitten im nirgendwo entlang dem Niemandsland zwischen Pamir und der der chinesischen Grenze einen 4.600 Meter hohen Pass zu überqueren. Danijar strahlt hingegen die übliche Ruhe aus und fährt mit der entsprechend vorsichtig.

Den tadschikischen Grenzposten erreichen wir gegen 12 Uhr. Dieser Checkpoint hat schonmal bessere Zeiten erlebt. Die Bretterbude, in der wir unsere Pässe stempeln lassen, wird nicht mehr viele Winter überstehen. Die Halle, in der eigentlich LKWs kontrolliert werden, hat nur noch zerbrochene Fenster und wurde scheinbar lange nicht mehr genutzt. Uns ist immer noch nicht ganz klar, wer diese Grenze überschreiten darf. Seit ein paar Monaten ist die Grenze offiziell nur für Touristen geöffnet. Ob und unter welchen Bedingungen Tadschiken nach Kirgistan reisen können und umgekehrt, wissen wir nicht so ganz. Mit uns sind noch vier Fahrradfahrer aus Europa am Grenzposten. Wir haben großen Respekt vor ihnen, die diese Strecke mit dem Fahrrad meistern. Zwei Deutsche erzählen uns, dass sie eine Weltreise mit dem Fahrrad machen und von dem Schnee und Minusgraden überrascht wurden.

Die Straße zwischen den beiden Grenzkontrollen ist fast 20 Kilometer lang. Danijar fährt noch mit uns zu der Stelle, wo der Grenzstein zu Tadschikistan steht. Hier warten wir rund eine Stunde bis Fahrzeug und Fahrer endlich aus Kirgistan ankommen. Wir verabschieden uns herzlich von Danijar und steigen in den neuen Wagen ein.

Tadschikischer Grenzstein, hier verabschieden wir uns von Danijar.

Unser neuer Fahrer heißt Jarkil. Der Grenzübergang in Kirgistan geht relativ fix und problemlos. Nur einer der Soldaten, der unser Gepäck kontrollierte strahlt so etwas wie ernste Autorität aus. Die anderen machen Scherze und wirken sehr entspannt. In Richtung Christian: „Do you play Basketball?“ – „No„, enttäuschte Gesichter. Wir haben uns schon auf eine intensive Gepäckkontrolle eingestellt. Tadschikistan und Kirgistan gelten als Transitländer im Heroinschmuggel von Afghanistan nach Russland und China.

Zuerst bringt uns Jarkil in ein Café in Sarytash, dem ersten Ort hinter der Grenze. Unser Mittagessen besteht aus Manti (Teigtaschen), Hühnchen und Pommes sowie Fladenbrot und natürlich einer Kanne Tee. Der kleine Ort hat zum Glück auch einen Bankomat und wir können uns kirgisisches Bargeld (Som) holen. Unsere Dollar wollte der Cafébesitzer nämlich nicht annehmen und tadschikische Somoni hatten wir nicht mehr. Es geht weiter entlang einer gut ausgebauten Hauptstraße durch Weideland oder Steppe – wir kennen den Unterschied nicht so recht. Jedenfalls ist das Gras hier nicht grün, sondern gelb bis okkerfarben.

Nach einigen Kilometern biegen wir auf eine Schotterstraße ab, dem Pik Lenin entgegen. Heute Nacht werden wir am Turpul Kul in einer Yurte am Fuße des Bergs übernachten. Außer hölzernen Strommasten lässt hier nichts die Anwesenheit von Menschen erahnen. Wir sehen nicht einmal mehr Kühe, Esel oder Schafe, die vorher überall auf den weiten Wiesen grasten oder einfach am Straßenrand oder mitten auf der Straße trotteten.

Am Jurt-Camp nehmen uns Ayse und Hamit in Empfang. Beide kümmern sich um die Jurten und ihre Gäste. Es ist Ende der Saison und wo vorher ein halbes Dutzend Jurten standen, sind jetzt nur noch zwei aufgebaut. Wir haben die größere Jurte, eine andere Gruppe ist zu viert in der Kleineren. Dafür treffen wir uns zum Abendessen und Frühstück alle gemeinsam in unserem Zelt. Alle paar Minuten werfen Ayse oder Hamit Holz oder getrockneten Kuhdung in unseren Ofen, es wird schnell warm.

Mit vier Decken und ausreichend Kleidung ausgerüstet wird es auch in der Nacht nicht allzu kalt. Wir müssen unseren Flüssigkeitshaushalt gut abstimmen, denn das Klohäuschen ist rund 100 Meter entfernt, wer will da bei Dunkelheit und Minusgraden schon hingehen?


30. September, Tag 7: Jurt Camp – Osch (190 Kilometer)

Am nächsten Morgen sind die Jurten von Schnee umgeben. Nach dem Frühstück ist für den Vormittag noch eine Wanderung geplant. Es gibt verschiedene Hikes in diesem Gebiet, wir schließen uns den anderen an. Die Wanderung führt uns zum Punkt „360° View of Everything“.

Der Weg ist gut machbar, es sind jeweils 4 Kilometer hin und zurück mit rund 200 Höhenmetern. Es ist zunächst kalt, alles um uns herum ist unter einer leichten Schneeschicht bedeckt, es ist leicht wolkig. Nach kurzer Zeit kommt die wärmende Sonne heraus und der Himmel klart auf. Wir erhoffen uns am „360° View of Everything“ die Spitze vom Pik Lenin zu sehen. Wir haben sehr viel Glück mit dem Wetter, doch wir bekommen an diesem Tag leider die Spitze des Berges nicht zu sehen. Die Wolken scheinen sich komplett um den Gipfel herum zu sammeln. Trotzdem ist die Aussicht spektakulär und wir freuen uns die morgendliche Wanderung gemacht zu haben.

Nach der Wanderung steigen wir erneut ins Auto und machen uns auf den Weg an unseren Zielort, Osch, den wir nach 4 Stunden erreichen. Die Straßen sind entspannt zu fahren, wir sehen viele LKWs mit Kohle beladen, die auf dem Weg nach China sind. Die Landschaft verändert sich, es wird deutlich grüner, die Berge sind weniger schroff. Zwischendurch fahren wir durch ein Tal, dessen Felsen rötlich-braun sind. Wir vermuten, dass so ähnlich der Grand Canyon in den USA aussieht. Viehzucht und die nomadische Lebensweise spielen eine bedeutende Rolle in Kirgistan. Heute müssen wir uns einige Male mit dem Auto an großen Schafherden vorbeidrängeln. Jarkin ist dabei ziemlich ungeduldig, aber alle Schafe überlegen seine Überholmanöver.

In Osch angekommen werden wir von unserem Gastgeber erwartet, der uns in sehr gutem Englisch alles über sein kleines Hotel erzählt. Wir freuen uns über eine warme Dusche, ein fest installiertes Klo und spätsommerliche Temperaturen in Osch. Nach einem kleinen Abendessen fallen wir ziemlich erschöpft ins Bett.


Fazit

Als wir die Reise in den letzten Monaten vor unserer Abreise geplant haben, waren wir uns nicht sicher, ob wir die Tour über den Pamir Highway machen sollten. Es war fraglich ob die Zeit reichen würde und auch die hohen Kosten haben uns abgeschreckt. Im Nachhinein sind wir sehr glücklich, dass wir uns dafür entschieden haben. Es war ein einmaliges Erlebnis, das uns in Erinnerung bleiben wird. Die Landschaft ist atemberaubend schön und hat sich von Tag zu Tag verändert. Wir haben einiges über die Länder der Pamir-Region gelernt und tolle Bekanntschaften gemacht. Von anderen Reisenden haben wir erfahren, dass man die Strecke auch per Anhalter und mit öffentlichen Verkehrsmitteln bzw. Marschrutkas fahren kann. Man sollte dazu aber optimaler Weise Erfahrungen im Hitchhiking, Zeit und sehr viel Geduld mitbringen.

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4 Kommentare

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