Pamir Highway – Teil 1
Pamir Highway – Teil 1

Pamir Highway – Teil 1

Nach unserem Video folgt hier ein Bericht über unsere Pamir Highway Tour. Wir haben so viele Bildern und einen ausführlichen Text über die Eindrücke, dass wir den Bericht aufteilen werden.

Der Pamir Highway ist eine Fernstraße (M41), die über 1.250 Kilometer von Duschanbe in Tadschikistan durch das Pamir-Gebirge bis nach Osch in Kirgistan führt. Das Pamir-Gebirge ist eine Bergkette, die sich über Teile von Tadschikistan, Afghanistan, Kirgistan und China erstreckt. Es beherbergt einige der höchsten Gipfel Zentralasiens, darunter den Pik Lenin, mit 7.134 Metern Höhe. Die Region ist sehr abgelegen, aber geologisch und kulturell vielfältig, und beherbergt eine Reihe von ethnischen Gruppen, darunter Pamiri, Kirgisen und Wakhi.

Wir haben das komplette Paket gebucht: Geländewagen mit erfahrenen Fahrern, die ein bisschen Englisch sprechen und uns in 7 Tagen von Duschanbe nach Osh begleiten, die Unterkünfte für uns buchen und wissen, wo wir gut Essen können. Wir müssen die Strecke mit zwei verschiedenen Fahrern und Autos zurücklegen.

Im Niemandsland zwischen den tadschikischen und kirgisischen Grenzpunkten wechseln wir am sechsten Tag Auto und Fahrer. Der Grund dafür ist der tadschikisch-kirgisische Grenzkonflikt, ein langanhaltender Streit zwischen den beiden Nachbarländern über die genaue Grenzziehung in einigen umstrittenen Gebieten. Die Ursprünge des Konflikts gehen auf die Sowjetzeit zurück, als die Grenzen in der Region oft willkürlich gezogen wurden. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion im Jahr 1991 wurden die neuen unabhängigen Staaten mit diesen unklaren Grenzen konfrontiert und begannen, territoriale Ansprüche zu erheben. Die umstrittenen Gebiete liegen hauptsächlich in bergigen und landwirtschaftlichen Regionen, in denen ethnische Kirgisen und Tadschiken leben. Der Streit um Weideland, Wasserressourcen und Zugang zu landwirtschaftlichen Flächen hat in der Vergangenheit immer wieder zu Spannungen geführt.


24. September, Tag 1: Von Duschanbe nach Khumbivari (350 Kilometer)

Um 9 Uhr werden wir von unserem Fahrer Danijar mit seinem Toyota Land Cruiser abgeholt. Wir fahren zunächst zum Supermarkt, um Wasser und Proviant einzukaufen.

Dann geht es los, auf gut ausgebauten Straßen fahren wir in Richtung Südosten. Wir kommen ins Gespräch, es geht um unsere Berufe und Familien. Danijar hat fünf Kinder, davon leben und studieren zwei in Kirgistan, die anderen Kinder und seine Frau leben in Murghab, Tadschikistan. Wir fragen ihn nach seinem Glauben. Er ist Pamir-Schiite, die Tadschiken und Kirgisen seien sehr religiös. „But the president is not” wirft Scarlett ein. “No, the president maybe not” erwidert Danijar. Tatsächlich wird jede islamische Opposition politisch unterdrückt und verfolgt, da der Diktator durch sie seine Macht bedroht sieht. Mit der Begründung einer radikalen Islamisierung vorzubeugen, wurde jüngst ein Gesetz erlassen, das jungen Menschen unter 16 Jahre das Betreten von Moscheen verbietet.

Der Weg führt uns zunächst aus der Großstadt Duschanbe heraus. Nach rund einer Stunde erreichen wir den Nurek-Stausee. Der Bau des Staudamms begann 1961 und wurde 1980 abgeschlossen. Zum Zeitpunkt seiner Fertigstellung war er mit einer Höhe von 304 Metern der höchste Staudamm der Welt. Neun Wasserkraftwerke können eine Gesamtleistung von 3.000 MW erzeugen. Mit der gewonnenen Energie kann fast ganz Tadschikistan mit Strom versorgt werden. Wir fahren weiter, und kommen an vielen Baumwollfeldern vorbei, Straßenverkäufer stehen am Wegesrand und verkaufen Melonen.

Nach ein paar Stunden halten wir an einem Checkpoint an. Hier beginnt die Region Berg-Badachschan, auch bekannt als Gorno-Badachschan, eine autonome Provinz in Tadschikistan. Neben Tadschiken leben in dieser Region viele Pamiri und Kirgisen. Während des tadschikischen Bürgerkriegs im Jahr 1992 erklärte die örtliche Regierung in Gorno-Badachschan ihre Unabhängigkeit vom Rest des Landes. Politisch aktive Pamiri schlossen sich einer demokratischen politischen Bewegung an, die Autonomie und demokratische Herrschaft für die Region forderten, musste aber nach Endes des Bürgerkrieges 1997 ihre Forderungen nach Unabhängigkeit zurückziehen. Für Tadschikistan benötigen wir kein Visa, allerdings ein GBAO-Permit (Gorno-Badakhshan Autonomous Oblast) für diese Region, welches wir vorher beantragt haben.

Danijar geht mit unseren Pässen, Permits und wahrscheinlich etwas Bargeld zum Checkpoint. Ein Soldat mustert uns im Auto und fragt, wo wir hinmöchten. Wir erwiedern „Osch, Kyrgistan“. Die Antwort scheint ihm nicht so gut zu gefallen, wir ergänzen schnell wie gut uns Tadschikistan gefällt. Er fragt noch nach Zigaretten, die wir nicht haben, dann kommt auch schon Danijar wieder und wir können weiterfahren.

Nach kurzer Zeit erreichen wir den Gebirgsfluss Pandsch. Dieser Fluss markiert die Grenze zwischen Afghanistan und Tadschikistan und wird uns die nächsten Tage weiter begleiten. Der Korridor entstand nach einem Abkommen von 1893 zwischen Großbritannien und Afghanistan und sollte damit als Pufferzone zwischen Russisch-Zentralasien im Norden und Britisch-Indien im Süden dienen.

Wir übernachten in Khumbivari auf 1.300 Höhenmetern in einem Guesthouse, direkt an einem schmalen Fluss. Wir sind nicht die einzigen Touristen. Mit uns am Abendessenstisch sitzen Japaner, Engländer, drei ältere Damen aus Honduras, die in New Orleans leben und über die schlechten Straßen fluchen, sowie Micha und Axel aus Köln und Lübeck.

Unser Guesthouse in Khumbivari

25. September, Tag 2: Von Khumbivari nach Chorugh (240 Kilometer)

Am zweiten Tag werden die Straße schlechter. Auf den Schotterpisten ist es so staubig, dass man kaum Atmen mag. Allgemein ist die Luft trocken, Scarlett hat seit Tagen Nasenbluten, Christian seit zwei Wochen einen hartnäckigen Reizhusten.

Der Weg führt uns die ganze Zeit am Pandsch-Fluss entlang. Wir blicken auf Afghanistan und realisieren langsam, wie weit wir eigentlich auf unserer Reise gekommen sind. Der Fluß ist mal reißend, mal ruhiger, mal wie ein See. Auf tadschikischer Seite passieren wir viele Kasernen und Soldaten. Wir fragen Danijar, ob die Afghanen keinen Strom haben, wir sehen auf ihrer Uferseite keine Strommasten, wie auf der tadschikischen Seite. An ein bis zwei Stellen gäbe es eine Verbindung zwischen Tadschikistan und Afghanistan, dort seien Strommasten über das Wasser gespannt. Und sie nutzen zum Teil Solarenergie. Ob es darüber hinaus Austausch zwischen den beiden Seiten gäbe wollen wir wissen. Danijar macht mit seinen Händen ein Kreuz „the border is closed“.

Der heutige Tag ist geprägt von Bauarbeiten. Die „Chinese Road and Bridge Company“ baut eifrig die Straßen aus, es gibt zig Baustellen, teilweise mit langen Wartezeiten. Danijar weiß ganz genau, wann welcher Abschnitt gesperrt ist und ist heute besonders eilig unterwegs. An einer Baustelle müssen wir dennoch länger anhalten. Wir treffen Lisa und Phillip, die aus dem Rheinland mit eigenem Fahrzeug auf einer ähnlichen Route wie wir unterwegs sind. Statt über das Kaspische Meer sind sie in 21 Tagen durch Russland gefahren.

Dann haben wir plötzlich einen platten Reifen. Aber kein Problem für Danijar, er ist Mechaniker. In nur 10 Minuten wechselt er den Reifen, es kann weitergehen. Zwischendurch überprüft er regelmäßig die Temperatur im Motorraum. Das Kühlmittel für den Motor kocht regelmäßig, weil irgendwelche Dichtungen löchrig sind. Wir haben aber vollstes Vertrauen in unseren Fahrer.

Mittagspause machen wir an einem Restaurant oder Imbiss, wir wissen es nicht genau, am Straßenrand. Ein paar LKW Fahrer machen mit uns Pause, im Hintergrund läuft russisches Kinderfernsehen. Toiletten mit Wasser- und Abwasserleitungen sowie Kloschüsseln haben wir längst hinter uns gelassen. Scarlett gibt dem Klo 1 von 5 Sternen, da es ein Fenster hat. Wir bestellen Suppe, Brot und Tee.

Gestärkt fahren wir weiter. Die Straße führt immer tiefer ins Gebirge und gewinnen an Höhe. Die Landschaft besteht aus vielen schroffen Felsen, die zum Teil bröckeln, und scheinbar regelmäßig Erdrutsche und Steinschläge auf der Straße verursachen. Teilweise ragen die Felsen weit in die immer schmaler werdende Straße rein, rechts geht es steil bergab. Zwischendurch kommen uns immer wieder LKW entgegen. Einmal müssen wir rückwärts ausweichen, die Straße ist zu schmal. In der Ferne sehen wir die hohen schneebedeckten Gipfel.

Wir übernachten kurz vor der Stadt Chorugh auf 2.000 Höhenmetern. Eine Gruppe Motorradfahrer ist mit uns in der Unterkunft. Sie machen eine 18-tägige geführte Motorradtour durch die vier Stans und feiern das Ende ihrer ersten Woche. Wir kommen ins Gespräch und es stellt sich heraus, dass die Motorradserie „Long Way Round“ mit Ewan Mc Gregor und Charlie Borman die Inspiration für ihr Motorrad-Abenteuer war.


26. September, Tag 3: Von Chorugh nach Langar (200 Kilometer)

Zunächst erkunden wir Chorugh. Hier befindet sich noch eine Lenin-Figur aus Sowjetzeiten. Zu ihren Füßen liegen sogar ein paar frische Blumen. Scarlett fragt, ob es viele Kommunisten in der Pamir Region gibt. Danijar lacht und sagt „no“. Aufgrund der Sprachbarrieren müssen wir mehr aus der Art wie er etwas sagt unsere Schlussfolgerungen ziehen.

Wir müssen tanken. Danijar fährt erst zu einer Tankstelle, riecht am Benzin und ist unzufrieden mit der Qualität, worauf wir ein paar Meter zur nächsten Tankstelle fahren. Nach kurzem zögern scheint er etwas glücklicher zu sein und lässt seinen Wagen volltanken.

In Chorugh biegt der Pamir Highway in Richtung Osten ab. Unsere Route führt uns allerdings weiter in Richtung Süden, entlang der afghanischen Grenze, erst am 4. Tag werden wir wieder auf den Pamir Highway treffen.

Hinter Chorugh wird der Fluss etwas ruhiger. Kurz denken wir, dass man an ihn dieser Stelle wahrscheinlich schwimmend überqueren könnte, da sehen wir wie zur Bestätigung auch schon ein Amphibienfahrzeug des Militärs und ein Flutlicht. Die Täler in diesem Abschnitt sind zunächst etwas breiter und grüner als am Vortag. Insgesamt bewegen wir uns auf 2.300 bis 2.800 Höhenmeter, die Luft wird kälter. In Ischkoschim ist der Fluss wieder breiter, hier gibt es einen Grenzübergang nach Ishkashim auf der afghanischen Seite. Im Niemandsland zwischen beiden Grenzpunkten befindet sich samstags ein Markt, den auch Touristen ohne Visa besuchen können. Heute der einzige Kontakt zwischen den beiden Völkern, die vor langer Zeit einmal zusammengehörten. Es ist Dienstag und wir fahren vorbei, die Grenze scheint komplett geschlossen und abgeschottet zu sein.

Das Tal auf afghanischer Seite heißt Wachankorridor. Hier leben rund 17.000 Menschen, unter anderem Pamiri, Kirgisen und Wakhi. Dieser Korridor ist durch seine Gebirgslage geographisch vom Rest des Landes so isoliert, dass die hier lebende Bevölkerung von den vielen Konflikten der letzten Jahrzehnte im Rest des Landes nicht viel mitbekommen hat. Trotzdem haben die Taliban auch hier im Sommer 2021 die Kontrolle übernommen. Das erkennen wir an den Taliban-Flaggen und an einem UNICEF-Konvoi, der von zwei Taliban-Fahrzeugen eskortiert wird.

Wakhan (detall)
Karte des Wachan-Korridors

Am Flussbett sehen wir immer wieder Männer mit Schaufeln und Bambuskonstruktionen. Aus dem vielen Kies und Steinen filtern sie sehr aufwändig Sand und am Ende Gold heraus. In zwei bis drei Wochen können mehrere Arbeiter so rund 5 Gramm Gold schürfen, die sie dann auf einem Markt für 200 bis 250 US$ verkaufen können. Um hier arbeiten zu dürfen, müssen sie den Taliban eine Gebühr zahlen (Mehr dazu: https://www.alive-in.org/searching-for-gold-in-gravel-one-day-in-afghanistan/).

Danijar mag italienische Schlager und wir hören gemeinsam unsere Playlist aus einem Italien-Urlaub. Wir unterhalten uns über Sprachen. Kasachisch, kirgisisch und usbekisch sind sich ähnlich und mit der türkischen Sprache verwandt. Tadschikisch dagegen sei eher wie Farsi. Später erfahren wir, dass es zudem noch einige Pamir-Sprachen gibt, die in verschiedenen Ausführungen und Dialekten in dieser Region gesprochen werden. Außerdem wird als gemeinsame Basis Russisch gesprochen. Wir fahren durch das tiefste Tadschikistan, hören aus dem Autoradio „Felicità“ und am Straßenrand winken uns viele Kinder in Schuluniformen zu und rufen „Hello!“. Sie wollen abklatschen oder fragen nach Schokolade.

Wir machen einen Halt bei den Bibi Fatima Hot Springs. Hier wurde ein Bad an einer heißen Quelle mit 43 Grad warmem Wasser gebaut. Nach dem vielen Sitzen im Auto ist es eine Wohltat.

Wir kommen bei Anbruch der Dunkelheit in Langar an, hier übernachten wir erneut in einem Guesthouse. Nach Sonnenuntergang wird es schnell kalt, nachts sind es um die 5°C. Das Abendessen verbringen wir mit ein paar Tschechen, Österreichern sowie Micha und Axel.


Hier ist der zweite Teil unseres Berichtes

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  1. Pingback: Pamir Highway – Video – Im Nachtzug nach Hanoi

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