Grenzerfahrungen
Grenzerfahrungen

Grenzerfahrungen

Zu Fuß über die Türkisch- Georgische Grenze und zwei Tage in Batumi…

Wir erreichten Freitag Nacht (25.08.) gegen 22:30 mit dem Dogu Express den Zielbahnhof in Kars und fielen sofort in unsere Hotelbetten. Den nächsten Tag würden wir komplett unterwegs sein, bis wir die Grenze nach Georgien in Sarpi passiert und von dort Batumi erreicht hätten. Daher beschlossen wir, am nächsten Morgen zeitig aufzubrechen. Es blieb keine Zeit uns Kars und die Umgebung anzusehen. Beim Frühstück im Hotel kam eine Gästin an unseren Tisch, die mitbekommen hatte, dass wir aus Deutschland kommen. „Willkommen in meiner Heimatstadt“ sagte sie freudestrahlend und überrascht, dass sich außer ihr noch andere deutsche Touristen in diesen entlegenen Ort verirrt hatten. Ein Anflug von Enttäuschung, als wir erklärten, dass wir nur auf der Durchreise nach Georgien seien. Ich bedauerte es sofort. Es ist Wahnsinn, wie uns diese kleine Geste, der Willkommensgruß einer fremden Frau, die sich darüber freut, dass wir ihre Heimat besuchen, berührt hat. 

Der Grenzübergang Türkei – Georgien befindet sich in dem Ort Sarp (türkisch) bzw. Sarpi (georgisch). Im Internet gibt es wenig Informationen aus einigen Reiseblogs über die Anreise von Kars. Es fährt ein Bus von Kars bis nach Hopa an die Schwarzmeerküste. Von dort sind es noch 20 km bis Sarp. Der Kauf der Bustickets war schließlich einfach online möglich. Und auch der Busbahnhof ist näher am Hotel gelegen, als zuerst gedacht. Es blieb noch Zeit für ein Glas Chai am Busbahnhof.

Unser Bus von Kars nach Hopa an der Schwarzmeerküste startete pünktlich vom Busbahnhof. Mit uns hinten im Bus saß eine Gruppe Afghanen. Sie arbeiten in Sarpi auf einer Teeplantage, wie wir später erfuhren. Sie waren begeistert, als sie höretn, dass wir Deutsche sind. Abdul zeigte mir stolz auf seinem Handy ein Zertifikat über einen Lehrgang, den er als Oberleutnant beim Deutschen BND in Afghanistan absolviert hat. Ich dachte, dass dieses Zertifikat, heute unter den Taliban eine Gefahr für sein Leben und das seiner Familie bedeutet. Und ich fragte mich, ob er auch auf die Zusammenarbeit vertraut hätte, hätte er vorhersehen können, wie sich die Dinge entwickelt würden. Aber ich traute mich nicht ihn das zu fragen. Wir kommunizierten über Google Translate. Wir bekamen kleine Einblicke über ihre Flucht, die Arbeitsbedingungen (einer von ihnen war wegen eines Arbeitsunfalls auf der Teeplantage mehrere Monate mit einem Polytrauma im Krankenhaus). Vor allem aber ihre Sehnsucht nach ihren Familien. Als wir den Bus in Hopa verließen, erwartete uns eine Traube an Taxifahrern, die uns zum Grenzübergang nach Sarpi bringen wollten. Während wir von allen Seiten bedrängt wurden und uns ungewollt von der Hektik anstecken ließen, verabschiedeten wir uns eher halbherzig von Abdul und seinen Kollegen. Über Google schrieb er uns „be my Guest“. Wozu er uns einladen wollte, erfahren wir leider nicht mehr.

Die Grenze passierten wir zu Fuß über einen gläsernen Korridor, der ein bisschen aussieht, wie die Autobahnraststätte Dammer Berge. Die Passkontrolle klappte zügig und reibungslos. Der Polizeibeamte war der Zweite, der mich an diesem Tag auf Deutsch in seiner Heimat begrüßte.

Nach 9 Stunden kommen wir in Batumi an und sind fassungslos. „Die Stadt schreit uns an“, wie Timo es treffend formuliert. Angefangen vom Taxifahrer, der in einer Mischung aus englischen und russischen Schlagworten abwechselnd die prächtige Strandpromenade, Casinos und „Bier-Fabriken“ Batumis und seinen deutschen Mercedes abfeiert.

Unser Apartment befindet sich in einem von drei Hochhäusern, die noch nicht ganz fertiggestellt sind. 23.500 Apartments umfasst das Projekt. Damit hätte ganz Emden Platz hier einzuziehen. An der Promenade reihen sich noch etliche weitere Hochhäuser und Baustellen. Die Strandpromenade, eine endlose Vergnügungsmeile. Und obwohl so viele Menschen herkommen um ihren Pauschalurlaub hier zu verbringen und dabei offensichtlich bereit sind viel Geld auszugeben, blicken wir um uns herum überwiegend in launische Gesichter. Ich weiß nicht, was wir erwartet hatten, aber wir sind enttäuscht. 

Es gibt aber auch eine andere Seite von Batumi. Auf dem Weg in die Altstadt und zum Hafen werden wir aufmerksam auf eine Szene, die eine andere, eigenen Identität der Stadt erahnen lässt und zudem eine starke Solidarität mit der Ukraine demonstriert. Wir erfahren leider erst einige Tage später (von George, einem Tourguide, den wir in Swanetien kennenlernen), dass sich ein genauer Blick gelohnt hätte. Batumis Parks und botanische Gärten mit weltweit einzigartigen Pflanzen, die grüne Umgebung. Hätten wir uns vorher ein wenig besser über die Stadt informiert und hätten wir uns einige Ziele in der Umgebung herausgesucht, wären wir nicht in die Booking Falle getappt und hätten uns ein Apartment in der historischen Altstadt gesucht, wir hätten möglicherweise einen anderen Eindruck bekommen.

Memo an uns selbst: Öfter zulassen, unser (Etappen-)Ziel aus den Augen zu verlieren und uns ablenken lassen. Der Weg ist das Ziel.

Autor

3 Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert